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Tuesday, October 13, 2015

Reisestationen (Sotavento (Teil A) - Algarve - Botanisch-Zoologische Reisen - Iberische Halbinsel

Eine Botanisch-Zoologische Rundreise auf der Iberischen Halbinsel.
Auf der Suche nach der Verlorenen Zeit

Von Horst Engels


Teil II - Reisestationen


Reisestationen der Botanisch-Zoologischen Rundreise um die Iberische Halbinsel


2.1. Algarve


1. Frühere Botanische Reisebeschreibungen

2. Geschichte des Algarve - Territorium und Kultur - Pflanzen- und Tierwelt

3. Ausgewählte Sehenswürdigkeiten im Algarve

3.1 Ostalgarve (Sotavento)

3.2 Westalgarve (Barlavento)

3. Ausgewählte Sehenswürdigkeiten im Algarve


3.1 Ostalgarve (Sotavento)


Sotavento, Algarve.JPG

Polunin & Smythies (1973) beschreiben in ihrem Reiseführer kurz diese Region des Algarve und weisen auf ausgedehnte Schirmpinienwälder (Pinus pinea) in der Umgebung von Monte Gordo sowie auf einen verbreiteten weissblühenden Ginster, Lygos monosperma, der schon im Februar im Untergebüsch der Pinienwaldes in voller Blüte steht, hin.

...There is a marked difference between the sotavento or leeward coast east of Faro, with sand dunes and salt lagoons, and the barlavento to the west, a more humid area of mainly rocky coast exposed to the Atlantic winds. Around Monte Gordo in the sotavento there are extensive woods of Stone pine with an undergrowth of the graceful slender white-flowered broom, *Lygos monosperma, a wonderful sight when in full bloom in February with a carpet of *Narcissus bulbocodium beneath…




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Retama (Lygos) monosperma (L.) Boiss.  

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Retama (Lygos) monosperma (L.) Boiss.


Ebenfalls erwähnt ist Cistanche phelypaea, eine an Salzpflanzen (Halophyten) parasitierende, intensiv gelb blühende Spezies aus der Familie der Sommerwurzgewächse (Orobanchaceae), die ausser an verschiedenen Küsten und küstennahen Bereichen der südlichen und südwestlichen Iberischen Halbinsel (auch in der Ria de Faro) vorkommt und ansonsten nur noch auf der Insel Madeira sowie in Nordafrika anzutreffen ist.

Salt marsh vegetation can be studied along much of this coast, especially around Santa Luzia, where the robust deep yellow-flowered parasite *Cistanche phelypaea is the most spectacular...
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Cistanche phelypaea (L.) Cout. in Cacela Velha, Algarve


Tavira und Cacela Velha

Touristisch und geschichtlich attraktiv ist im Sotavento zunächst die Kreisstadt Tavira, welche auf eine Siedlung der Phoenizier oder Karthager zurückgeht. Auch die Römer siedelten im nahegelegenen Balsa. Im Jahre 711 wurde Tavira von den Mauren erobert und ab 756 war es Teil des Kalifats Cordoba. Im Jahre 1242 wurde es jedoch im Rahmen der sogenannten “Reconquista”, der Rückeroberung und christlichen Befreiung der von den Mauren besetzten Iberischen Halbinsel, von Dom Paio Peres Correia und dem Ritterorden von Santiago im Auftrag des portugiesischen Königs Sancho II. eingenommen.

Willkomm beschreibt 1849 bei seinem Ausflug in den Algarve Tavira als die schönste Stadt des Algarve, und obwohl der Fischfang, hauptsächlich der Thunfisch- und Sardinenfang, früher eine wirtschaftliche Haupteinnahmequelle dieser Stadt, heute aufgrund des vom Aussterben bedrohten Roten Thunfischs (Thunnus thynnus Linnaeus, 1758) und der Überfischung auch anderer Fischarten stark zurückgegangen ist, hat Tavira durch den Tourismus eine neue reiche Einnahmequelle gefunden und ist damit eine attraktive Stadt im Algarve geblieben.

Willkomm’s Reiseerinnerungen “Zwei Jahre in Spanien und Portugal. (Bd III; Kapitel X, pp. 265-66) entnehmen wir:

Tavira zählt 8800 Einwohner und liegt auf beiden Ufern des Rio Sequa, der eine halbe Legua weiter südlich in den Ocean fällt. Eine lange, sehr schön gebaute Steinbrücke führt über diesen für kleine Fahrzeuge schiffbaren Küstenfluß, dessen Ufer nach dem Meere zu von Salzmorästen garniert sind, wie es fast mit allen Flüssen Algarbiens der Fall ist. An seiner Mündung bildet er eine geräumige, durch zwei Forts gut vertheidigte Rhede, in welcher selbst grosse Schiffe ankern können. Am schönsten nimmt sich Tavira von der Brücke aus. Hier hat es wirklich großstädtisches Ansehen, indem beide Ufer von einer langen Reihe stattlicher Häuser eingefaßt sind. Die größere Hälfte der Stadt liegt auf dem rechten Ufer, besitzt mehrere, mit Kuppeln gezierte Kirchen und Klöster und zieht sich sanft am Fuße der bewaldeten Hügel empor, welche die Vorberge der Sierra bilden und zwischen denen der Sequa aus einem anmuthigen Thale hervorströmt. Sehr hübsch ist die Praça da Constituição (der Constituitionsplatz), ein geräumiger, von großen und schönen Gebäuden umgebener Platz am rechten Flußufer.
Ueberhaupt ist Tavira durchgängig freundlich gebaut; seine Häuser sind modern und haben fast sämmtlich Balcons, die man sonst in Algarbien bei Weitem nicht so häufig antrifft wie in Andalusien. Das sehenswertheste Gebäude Taviras ist die der heiligen Jungfrau geweihte Hauptkirche, die ehedem eine Moschee gewesen sein soll. In ihr befindet sich das marmorne Grabdenkmal des portugiesischen Ritters Dom Païo Peres Correia, welcher Tavira am 11. Juni 1242 den Mauren entriß. Noch erinnern die alterthümlichen Thore der Stadt sowie ein altes finsteres Castell auf dem rechten Ufer am Eingange der Brücke an die Herrschaft der Araber.




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Alte Römische Brücke und Häuserreihe - wie bei Willkomm 1849 beschrieben, in Tavira (Algarve).


Obwohl Tavira, dessen Fluss Séqua in die Ria Formosa, ein grosses Lagunarsystem des Algarve, einmündet, sicherlich im Rahmen einer Iberischen Rundreise unbedingt empfehlenswert ist, suchen wir im besonderen die Botanischen und Zoologischen Schätze der Iberischen Halbinsel. Deshalb besuchen wir Cacela Velha, ein kleines Fischerdörfchen mit einem Kastell, welchem die östlichste Lagune der Ria Formosa vorgelagert ist, und von wo aus wir einen leichten Zugang zu dem biologisch wertvollen Lagunarsystem der Ria Formosa haben.


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Teil der Festung und Lagune von Cacela Velha
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Cacela Velha - Kirche und Dorfplatz


Hier in Cacela Velha finden wir Retama monosperma und Cistanche phelypaea wie bei Polunin & Smythies für die östliche Algarveküste beschrieben.

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Cistanche phelypaea (L.) Cout. in Cacela Velha, Algarve

Auch den in Portugal in seiner Verbreitung auf den Algarvischen Sektor beschränkte Korbblüter Anthemis maritima finden wir an den Lagunenstränden von Cacela Velha.





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Anthemis maritima L.


Eine besonders auffällige und schöne Salzpflanzen-Spezies ist der violettblühende Strauch-Strandflieder, Limoniastrum monopetalum (L.) Boiss. aus der Familie der Bleiwurzgewächse (Plumbaginaceae), der in den Salzmarschen der Ria Formosa häufig anzutreffen ist.

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Limoniastrum monopetalum (L.) Boiss., Cacela Velha, Algarve


Wir begegnen hier am Strand von Cacela Velha auch der spontanen Gastfreundlichkeit der Algarvebevölkerung, als wir einige Fotos der noch bestehenden Austernkulturen in Cacela Velha machten und von den Austernzüchtern spontan ein Kilo Austern geschenkt bekamen, nachdem wir unser Interesse und unseren Appetit auf frische Austern, aber auch unser Verständnis für die Mühseligkeit dieser Tätigkeit der Austernzucht bekundet hatten.
Es sei hier angemerkt, dass zur Austernzucht statt der Portugiesischen Auster (Crassostrea angulata) heute hauptsächlich die nahverwandte Pazifische Auster (Crassostrea gigas)  verwendet wird, nachdem erstere seit der 60iger Jahre durch eine Viruskrankheit stark dezimiert wurde.


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Am Strand von Fábrica, etwas westlich von Cacela Velha, finden wir Gesteinsreste mit fossilen Muscheln und Schnecken, die auf den fossilen Reichtum dieser Gegend hinweisen. Es gibt hier eine für ihren Reichtum an Mollusken bekannte und nach dem Cacela-Flüsschen als Cacela-Formation benannte geologische Schicht aus dem Oberen Miozän, der diese Fossilreste möglicherweise angehören. Das Alter der fossilen Mollusken innerhalb der Cacela-Formation wird auf ca 5,7 Millionen Jahre geschätzt.

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Fossile Schnecken und Muscheln - Fábrica (Cacela Velha) - Algarve

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Fossile Muscheln und Schnecken - Fábrica (Cacela Velha) - Algarve


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Limonium spec. - Fábrica (Cacela Velha) - Algarve

Eine grundlegende wissenschaftliche Arbeit zu den Mollusken des Tertiärs von Portugal wurde 1903 von F.A. Pereira da Costa (mit Abbildungen von G. F. Dollfuss) veröffentlicht, in der auch die damals schon bekannten fossilen Mollusken von Cacela aufgelistet und abgebildet sind. Seitdem ist die gut erhaltene fossile Molluskenfauna von Cacela und Fábrica Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen.

Tafel von G. F. Dollfuss mit fossilen,
aus Portugal stammenden Gastropoden des Tertiärs


Leicht zu beobachten sind in der Ria Formosa die im Westatlantik, hauptsächlich in Nordafrika, vorkommenden, aber in ihrer Verbreitung bis nach Portugal und Spanien reichenden Winkerkrabben (Uca tangeri), die sich im Schlick zeigen, sich aber sofort in ihre Löcher zurückziehen, sobald man ihnen zunahekommt oder etwas unvorsichtig den Fuss auf den Boden setzt. Die männlichen Exemplare der Winkerkrabben unterscheiden sich von den Weibchen durch eine grosse Schere, mit denen sie während der Partnerfindung zu winken scheinen,  während bei den Weibchen beide Scheren die gleiche Grösse besitzen.

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Männliches Exemplar einer Winkerkrabbe (Uca tangeri)
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Weibchen der Winkerkrabbe (Uca tangeri)


Obwohl sich der Algarve in den letzten Jahrzehnten zu einem vielbesuchten Touristenzentrum mit teilweise riesigen Hotelkomplexen entwickelt hat, haben wir die bei Polunin & Smythies (1973) für den Sotavento aufgeführten Pflanzenspezies (Lygos monosperma, Cystanche polypea, Anthemis maritima), vor allem in der jetzt geschützten Ria Formosa, in gut erhaltenen Beständen vorgefunden. Auch die Pinienbestände der östlichen Algarveküste, die auch Moritz Willkomm in seiner Beschreibung der Algarveküste 1847 hervorgehoben hat, sind teilweise noch gut erhalten, häufig jedoch in Parklandschaften mit Golfplätzen verwandelt, so dass viele der Pflanzen des Untergebüsches wie auch die Geophyten zwangsläufig in ihren Beständen reduziert wurden.


Chamaeleons auf der Ilha da Culatra…

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Teil des Lagunarsystems der Ria Formosa ist die Ilha da Culatra, die in ihrem westlichsten Abschnitt, wo sich ein Leuchtturm (port. farol) und eine Anzahl kleiner Fischer- und Ferienhäuser befinden, als Ilha do Farol bezeichnet wird. Diese Insel ist mit einer Fähre erreichbar, die regelmässig zwischen Olhão und der Insel verkehrt. Die Ria Formosa ist seit 1987 geschützt und bildet den Naturpark Ria Formosa (Parque Natural da Ria Formosa (PNRF)).

Auf der Ilha da Culatra lassen sich die wegen ihrer bekannten farblichen Anpassungsfähigkeit sonst nur schwer zu beobachtenden Chamaeleons (Chamaeleo chamaeleon), die im östlichen Algarve und entlang der Südküste Spaniens verbreitet sind, mit relativer Leichtigkeit beobachten, da es dort in der Umgebung der Häuser der Ilha do Farol einige Bestände an Sträuchern und Bäumen gibt, wo Chamaeleons anzutreffen sind.




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Chamaleons (Chamaeleo chamaeleon) auf der Ilha da Culatra (Ria Formosa, Algarve)

Wir haben im August die Gelegenheit eines Besuchs der Ilha da Culatra wahrgenommen und sind von Culatra entlang des Strandes zur Ilha do Farol gewandert, wo wir denn auch prompt ein Exemplar des Chamaeleons beobachten konnten. Dieser kleine Bestand von Chamaeleons ist kürzlich Bestandteil einer sehr heftig geführten Diskussion um den möglichen Abriss der Häusschen auf den Laguneninseln der Ria Formosa im Rahmen eines Raumordnungsplanes geworden. Aufgrund der auch wohl mit einer gewissen Schläue geführten Diskussion der Anwohner dieser Inseln, die den strengen Schutzstatus des Chamaeleons als Argument ihres Widerspruches gegen den Abriss ihrer Häuser anführten, wurde nach heftiger Diskussion der Abriss dieser Häusschen in der Tat  für unbegrenzte Zeit ausgesetzt. Und es scheint in der Tat nicht gerechtfertigt, diese lange bestehenden Infrastrukturen der Insel, in denen Fischer seit Generationen wohnen, im Rahmen eines Raumordnungsplanes zu entfernen. Natürlich ist dabei wohl auch zu bedenken, dass vor allem die geplante Sanierung der Abwässer zur Vermeidung einer grösseren Umweltverschmutzung in einem Grossteil des östlichen Algarves und in der naturgeschützten Ria Formosa ein nicht unerhebliches finanzielles Problem für den portugiesischen Staat bedeutet.


Annex 1 - Die botanische Beschreibung des Algarve und des Nieder-Alentejo in Moritz Willkomm’s: “Grundzüge der Pflanzenverbreitung auf der iberischen Halbinsel.” (pp.286-296)



Annex 2

Algarbien” (Zehntes Kapitel in Band III) von Moritz Willkomm’s “2 Jahre in Spanien und Portugal. - Reiseerinnerungen”.



Anmerkungen und Lieteraturhinweise finden sich in der Google-Docs-Version dieses Beitrages:
https://docs.google.com/document/d/1iBfmobVvnTcbtFPFtcSTozXhobtfHxHDi0gcbXIh2yY/pub


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Eine reiche ornithologische Fauna in der Quinta de Lago

Barrocal und “Megalapias” bei Palmeiral...

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