Total Pageviews

Search This Blog

Sunday, September 25, 2016

Reisestationen (2.4IIB - Beira Litoral) - Botanisch-Zoologische Reisen - Iberische Halbinsel

Eine Botanisch-Zoologische Rundreise auf der Iberischen Halbinsel.

Auf der Suche nach der Verlorenen Zeit

Von Horst Engels

Teil II - Reisestationen

Reisestationen der Botanisch-Zoologischen Rundreise um die Iberische Halbinsell[1]


-  WILLKOMM, Moritz (1852) [2] [3]

 

DSCN0235.JPG
Blick auf das Tal von Rabaçal vom Aussichtspunkt unterhalb von Chanca
 - im Hintergrund die Serra da Lousã



2.4 Estremadura und Beira Litoral

Teil I.
  1. Einführung
  2. Cabo Carvoeiro und Pinhal de Leiria
  3. Potentielle Vegetation des mittleren portugiesischen Küste

Teil II.
  1. Geologie - die Bacia Lusitanica
  2. Das Mondego-Estuar
  3. Cabo Mondego und Serra da Boa Viagem
  4. Dünen von Mira, Gândara und Quiaios
  5. Das Gebiet der Terras de Sicó


Teil IIB

Eine andere, von der alluvialen Küstenlandschaft der Beira Litoral völlig verschiedene, mediterran und toskanisch anmutende Landschaft, die geologisch als ‘Corte de Rabaçal’ (auch Maria Pares) bezeichnet und dem Unteren und Mittleren Jura zugehörig ist, finden wir, wenn wir uns von Coimbra etwas südlich in Richtung Pombal, dann von Condeixa-a-Nova aus nach Condeixa-a-Velha mit Conimbriga, der alten Römerstadt (von der die Distrikthauptstadt Coimbra, zuvor Aeminium, seinen Namen bekommen hat[4]) begeben, und von dort aus nach Rabaçal in das Herz der ‘Terras de Sicó[5]. Trotz der Verschiedenheit der Landschaften bestehen enge geologische Verbindungen zwischen dem Cabo Mondego und dem Corte de Rabaçal, die beide der Nördlichen Bacia Lusitânica angehören und als Referenzen für das Studium der geologischen Stufe des Toarciums herangezogen werden.[6] 








Corte de Rabaçal.JPG
Corte de Rabaçal (Maria Pares)
(Nach: CANALES et al. 2008)[7]

34378.jpg
Lage der Murtinheira- S. Gião- und Maria Pares-Sektionen (Nördliche Bacia Lusitânica)
und von Zambujal de Alcaria (Zentrale Bacia Lusitânica)




Geologie des  ‘Corte de Rabaçal’[8] [9]


Terras de Sicó

Das Gebiet der “Terras de Sicó” wird durch die Serra de Sicó geprägt. Dem Gebiet ‘Terras de Sicó’ gehören die Gemeinden Alvaiázere, Ansião und Pombal (Distrikt Leiria) sowie Condeixa-a-Nova, Penela und Soure (Distrikt Coimbra) an. Das aus der Bacia Lusitânica durch tektonische Prozesse entstandenen Massiv der Serra de Sicó (höchste Erhebung 559 m NN) mit weiteren Erhebungen von 532 m NN im nördlichen Abschnitt (Serra do Rabaçal) und 447m NN (Serra de Mouro) bzw. 618 m NN (Serra da Alvaiázere) im südlichen Abschnitt des Massivs trägt den Namen nach der Serra de Sicó. Es handelt sich um ein kleines Massiv mit einer Fläche von ca 430 km2, am nördlichen meso-känozoischen Rand der Bacia Lusitânica gelegen, der einen Großteil seiner morphologischen, landschaftlichen und ökologischen Charakteristiken der Anwesenheit von Kalkgestein und den karstischen Verwitterungen seines Reliefs verdankt. Durch die Wasserdurchlässigkeit und leichte Löslichkeit des Kalksteins haben sich karstische Verwitterungsformen wie Karren, Dolinen und Schluchten gebildet, die die spektakuläre Landschaft der Terras de Sicó ausmachen. Die Karren, die das Wasser schnell durch Rinnen und Ritzen eindringen lassen, führen zur Bildung eines Systems von Grotten, welches die Bedeutung der Serra de Sicó als Aquifer anzeigen. Die Landwirtschaft profitiert von der Fruchtbarkeit der Böden, dort wo sie sich bilden und ansammeln, und trotz der Kargheit an vielen Stellen gedeihen hier wertvolle Kräuter wie Thymus zygus, von der Bevölkerung als ‘erva Santa Maria’ (“Heiliges Marienkraut”) bezeichnet, welches dem Käse der Region, dem ‘Queijo de Rabaçal’ ein besonderes Aroma verleiht.

Thymus zygis - “Heiliges Marienkraut”  (Erva Santa Maria)  der ‘tomillares’ von Rabaçal



Schon die Römer wussten dieses Gebiet zu schätzen und es gibt Ruinen und Artefakte, die auf die Anwesenheit der Römer vor ca 2000 Jahren hinweisen.  Dem Reichtum der Natur wird heute durch den Status als geschütztes Gebiet des Natura 2000-Netzes Rechnung getragen.[10]


Rabaçal copy.jpg
Wanderungen in den ‘Terras de Sicó’[11]
(Wanderungen 1-3 - siehe photographischer Teil)


Wir wollen drei Wanderungen in den ‘Terras de Sicó” fotografisch dokumentieren, wobei das zuvor Gesagte zur Schönheit dieser Landschaft und ihren Naturschätzen Ausdruck finden mag.



Wanderung 1: Von Poço aus zu den Ruinen und dem Museum von Conimbriga


Wanderung 1.JPG

Die Wanderstrecke, die wir eingeschlagen haben, beträgt 3,2 km. Es handelt sich um einen nicht asphaltierten Weg mit geringen Steigungen, also ein relativ leichtes Niveau. Allerdings können die Temperaturen im Sommer sehr hoch werden, so dass diese Wanderung in dieser Jahreszeit nicht zu den Mittagsstunden erfolgen sollte. Der Weg führt entlang des Flüsschen ‘Rio de Mouros’, das im Sommer vollständig austrocknet und manchmal bis in den Winter hinein fast trocken ist. Im Frühjahr nach starken Regenfällen kann sich jedoch daraus ein stellenweise reißender Fluss mit starken Strömungen bilden. Der Weg führt durch die typische jurassische Kalklandschaft mit Pinienwäldern, wobei in einem Talabschnitt, in dem der Bach normalerweise Wasser führt, kurz hinter Poço, eine außergewöhnliche Stille herrscht, die nur durch das Singen der Vögel und das Plätschern des Wassers unterbrochen wird.

DSCN5397-001.JPG


DSCN8744.JPG



Besuch der Ruinen und des Museums von Conimbriga






Rückwanderung am späten Nachmittag








Wanderung 2: Von Chancas (Rabaçal) zu den  “Buracas” und  den “Lapiás” von Casmilo



Wanderung 2.JPG

Diese Rundwanderung beginnen wir in Chanca. Wir wandern bis zu den “Buracas” von Casmilo, Aushöhlungen oder Auswaschungen im Fels, deren Entstehung nicht vollständig geklärt zu sein scheint, die aber wohl Teile eines grösseren unterirdischen Höhlensystems waren, wobei nach Einsturz der zentralen Decke die seitlichen Ausbuchtungen der Höhle bestehen blieben.  Der Wanderweg beträgt insgesamt 8,3 km.


Blick vom Aussichtspunkt unterhalb von Chanca in das Tal von Rabaçal - im Hintergrund die Serra de Lousã












Wanderung 3: Von Rabaçal nach Fartosa und Tamasinhos


Wanderung 3.JPG


Die letzte Wanderung bringt uns in ein besonders wertvolles floristisches Gebiet. Hier findet sich das Hauptvorkommen des einzigen Standorts von Iris planifolia in Mittelportugal sowie ein Spektrum weiterer kalkholder Arten, die wir in der Bacia Lusitanica, aber sonst erst im Alentejo und im Barrocal des Algarves wiederfinden. Hier gibt es auch reiche Vorkommen an Thymus zygis, den wir für unsere Kräuterküche einsammeln. Der ca. 3km lange Weg von Rabaçal bis Tamasinhos führt über asphaltierte Strasse und kann auch mit dem Auto befahren werden.


DSCN7275.JPG
Iris planifolia     (Mill.) Fiori & Paol.

DSCN7272-001.JPG
Im Vordergrund: Iris planifolia - im Hintergrund der ‘Monte do Germanelo’.


Bei der Wanderung von Rabaçal nach Tamasinhos fallen uns schon von Ferne zwei kleine Berge auf, es sind der ‘Monte Jerumelo’ und der ‘Monte do Germanelo’ mit dem ‘Castelo de Germanelo’.
Das ‘Castelo de Germanelo’ ist die Ruine einer Burg, die 1142 von dem König D. Afonso Henriques zur Sicherung der instabilen Grenze zwischen der damaligen christlichen und muslimischen Welt des XI und XII. Jahrhunderts im Rahmen der “Christlichen Rückeroberung” (reconquista cristã) und der Gründung einer neuen Gemeinde, Germanelo, erbaut wurde.
Vom Monte do Germanelo (Castelo de Germanelo)  aus, der 367 m NN hoch ist und den Gemeinden von Penela und Ansião angehört, hat man einen weiten Ausblick auf das Tal, in dem sich Rabaçal und Zambujal befinden. Weiter im Hintergrund die Serra do Rabaçal, der ‘Monte Maria Pares’ und der ‘Monte da Pega’, im Süden von dem Zwillingsberg, ‘Monte do Jerumelo’, vom ‘Monte de Vez’ und dem ‘Monte de Ateanha’ gefolgt. Im Osten befindet sich die Stadt Penela sowie das bereits der herzynischen Platte angehörige Schiefergebirge Serra do Espinhal - und noch weiter östlich davon die Serra da Lousã.

Serras de Sicó.JPG

Bezüglich der beiden nahe beieinander gelegenen Berge ‘Monte do Jerumelo’ und ‘Monte do Germanelo’ existiert die Legende der “Brüderchen (port. Irmãozinhos)”, die folgendes erzählt:
Die Legende erzählt, dass auf jedem Berg ein Schmied wohnte - die Brüder Germanelo (im Norden) und Jerumelo (im Süden). Ihr Vater war arm, so dass er den beiden Brüdern ausser der Schmiedekunst, die er sie gelehrt hatte, nur zwei Brennöfen sowie einen Schmiedehammer hinterlassen konnte. Auf jedem der beiden Berge stand ein Brennofen. Deshalb mussten sie den einzigen Schmiedehammer abwechselnd benutzen. Da es sich um zwei Giganten handelte, warfen sie also den Hammer abwechselnd von einem Berg zum anderen, je nachdem wie sie ihn benötigten.
So hörte man in der Umgegend häufig den Ruf: “Germanelo wirf mir den Hammer herüber!” und im Gegenzug.” Jerumelo, schmeiss mir den Hammer wieder zurück!”
Eines Tages geriet Jerumelo mit seinem Bruder in Streit und warf ihm den Hammer mit soviel Kraft und Gewalt herüber, dass dieser sich vom Schaft löste, wobei das Eisen am Hang des Germanelo niederfiel, wo er eine Eisenquelle schuf und wo sich heute der Ort Fartosa (1160 hiess er noch Ferratosa und 1420 war der Ort bereits in Ferretosa umbenannt) befindet. Der leichtere Schaft aus Wachholderholz wurde 2 km weiter in die Erde geschleudert, wo ein Wachholderbusch (port. zambujeiro)  zu wachsen begann, wovon später Zambujal seinen Namen erhielt.



Thymus zygis ssp. sylvestris

Thymus zygis ssp. sylvestris



Monte do Jerumelo, Rabaçal


Monte do Jerumelo, Rabaçal


Wir finden hier im Frühling Blumenwiesen in kräftigen Rot- Gelb- und Blautönen, die uns an Gemälde von Renoir oder Cezanne erinnern, während nach Einsetzen der Trockenheit ab Juni die Landschaft sich schnell in ein eintöniges Braun verwandelt.

Blumenwiese mit Papaver rhoeas und Anchusa azurea


Blumenwiese mit Papaver rhoeas und Anchusa azurea



Lara beim Thymian-Aufsammeln





Flora rupícola (Habitat  6110) com Arenaria conimbricensis e Sedum album


Auf den Kalktriften finden sich viele wärmeliebende Geophyten wie Orchideen und vor allem Iris planifolia, aber auch seltene kalkliebende Erdflechten wie Psora decipiens:






Andere wärmeliebende Arten sind Cleonia lusitanica, Hypericum tomentosum,  Prangos trifida e Smyrnium perfoliatum, Phlomis lychnitis e Nigella damascena,, die manchmal wie Iris planifolia erst wieder im Alentejo oder im Barrocal des Algarve auftauchen.








Prangos trifida     (Mill.) Herrnst. & Heyn


Prangos trifida     (Mill.) Herrnst. & Heyn






DSCN8349.JPG
Die Flechte Psora decipiens auf einer Kalktrieft

DSCN8351.JPG
Die Erdflechte Psora decipiens

DSCN8355.JPG
Die Erdflechte Psora decipiens

Am Ende unserer Wanderung kommen wir an das (fast) verlassene Dörfchen Tamasinhos. Zur Zeit wohnt hier nur noch eine Person. Das Alter des Dorfes scheint unbekannt. Immerhin existieren hier die Reste einer Kapelle, die im Jahr 1716 erbaut wurde, und es gab eine Römerstraße von Conimbriga nach Tomar (Teilstrecke der Via Romana XVI, die Lissabon mit Braga verband)[12], so dass hier möglicherweise schon zur Römerzeit eine Urbanisation bestand. Die Wände der Häuser von Tamasinhos sind aus quaderförmigen Kalksteinen ohne Verwendung jeglichen Mörtels errichtet.

Vias Romanas von Tamazinhos in Google Earth13]

Hier einige Fotos von Tamasinho:














DSCN1314.JPG



 

Flora-On - Suchabfragen


Hier noch eine Suchabfrage in der FLORA-On sowie die Beschreibungen des ICNF zu dem  besuchten Gebiet:







[1] Die “Reisestationen” dieser Arbeit wurden in Anlehnung an die “Plant-Hunting Regions” bei Polunin & Smythies (Reisestationen entsprechend der “Plant Hunting Regions” in: POLUNIN, Oleg; SMYTHIES, Bertram E. Flowers of South-West Europe. Oxford University Press, 1973. (New edition: Oxford University Press, 1988.) ausgewählt, aber für Portugal um einige neue Stationen (Alentejo; Serra da Lousã; Douro Internacional; Serra Montesinho) ergänzt bzw. erweitert.
[4] 468 wurde das nahegelegene Zentrum Conimbriga von den Sueben zerstört und Aeminium übernahm die Funktion (Bischofssitz) und den Namen.
[6] Das Toarcium (seltener auch Toarc oder Toarcien) ist in der Erdgeschichte eine chronostratigraphische Stufe des Unterjura. Geochronologisch wird dieser Zeitraum in etwa von 182,7 Millionen bis vor 174,1 Millionen Jahren datiert. Dabei wird der Beginn des Toarciums (vor 182,7 Ma) mit einer Unsicherheit von ±0,7 Ma, das Ende des Toarciums (vor 174,1 Ma) mit einer Unsicherheit von ±1,0 Ma angegeben.[1] Auf das Zeitintervall des Toarcium folgt das Aalenium, das Toarcium selbst folgt auf das Pliensbachium.
[7] CANALES, María Luisa; HENRIQUES, Maria Helena. Foraminifera from the Aalenian and the Bajocian GSSP (Middle Jurassic) of Murtinheira section (Cabo Mondego, West Portugal): biostratigraphy and paleoenvironmental implications. Marine Micropaleontology, 2008, 67.1: 155-179.
[12]  Ein römischer Meilenstein (miliário a Décio) von 250 d.C, an der alten Römerstrasse Via XVI (die  Braga und Lissabon verband) im Teilabschnitt ‘Conimbriga ad Seilium’ (Abschnitt zwischen Conimbriga und Tomar)  nahe bei Tamasinhos gefunden, befindet sich im Museum von Rabaçal.